Eine Stele für Osthofen

 

 

In der lieblichen Gegend des rheinhessischen Wonnegaus, wenige Kilometer nördlich der Nibelungenstadt Worms am Rhein, liegt die kleine Stadt Osthofen.

Im Rahmen der Umgestaltung des Osthofener Bahnhofvorplatzes bekam ich 2009 den Auftrag für eine Stele aus Sandstein.

In diesem Zusammenhang habe ich mich intensiv mit der Vergangenheit Osthofens beschäftigt und mit der Stele den berühmten Söhnen der Stadt, die durch ihr Schaffen weltweit Anerkennung fanden, ein Denkmal gesetzt.

Die Stele aus Udelfanger Sandstein, prägt mit ihren über fünf Metern Höhe den Bahnhofsvorplatz und begrüßt die Besucher der Stadt.

Begonnen habe ich die Arbeit im Steinbruch von Udelfangen nahe der luxemburgischen Grenze. Ich setzte eine Standfläche auf den Stein, und vier Edelstahlstifte zur Verankerung wurden verklebt.

Das Aufstellen des Stelenrohlings in Osthofen war eine große Herausforderung. Mit zwei Kränen musste die an Gurten hängende und schwankende Säule in der Luft von der horizontalen in die vertikale Lage gebracht werden, um dann passgenau auf den Sockel gesetzt zu werden.

Für Passanten, Reisende und Besucher des Eiscafés am Bahnhof war meine Arbeit an der Stele eine Attraktion. Interessierte Bürger verfolgten über mehrere Wochen den Entstehungsprozess der Stele mit ihren symbolischen Bezügen zu Personen und Ereignissen aus der Osthofener Geschichte.

Auf der Westseite der Stele befindet sich, in Anlehnung an die natürliche Form des Steins, eine Abstraktion des Fischbauchträgers oder Pauliträgers, durch den der Bau größerer Brücken aus Eisen erst möglich wurde. August von Pauli *1802 Osthofen +1883 Bad Kissingen, Oberbaudirektor der Bayrischen Staatsbahnen war ein genialer Ingenieur und Erfinder dieser Brückenkonstruktionen.

Die Stele wird auf der anderen Seite gekrönt von dem Silo der Malzfabrik Schill, kein architektonischer Glücksfall, aber ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Das Gebäude erscheint auf der Stele seitenverkehrt und aus manchen Blickwinkeln erscheint es wie ein Felsenkloster im Himalaya.

Auf der Nordseite der Stele habe ich ein eher dunkles Kapitel der Osthofener Stadtgeschichte symbolisch aufgegriffen. Eine Holztür, die sich heute noch im ersten Stock der KZ-Gedenkstätte befindet und an das Eingesperrtsein erinnert.

Wendelin Weißheimer *1838 Osthofen +1910 Nürnberg, war ein bedeutender Komponist und Kapellmeister, Schüler Liszts und Freund von Ferdinand Lassalle. Er schrieb Opern, Symphonien und viele Lieder, dirigierte an der Mailänder Scala und in seinen letzten Lebensjahren leitete er auch die Massenchöre auf den sozialdemokratischen Parteitagen. Zu seiner Beerdigung in Nürnberg kamen 30 000 Menschen. Das von ihm benutzte Metronom, das sich noch heute im Besitz der Familie in der Osthofener Steinmühle befindet, wurde auf der Nordseite der Stele als Erinnerung an diesen berühmten Sohn der Stadt dargestellt.

Auch Richard Wagner war ein Freund Weißheimers und öfters in der Steinmühle zu Gast. Wagner, immer in Geldnöten lieh sich von Wendelins Vater, Bürgermeister Johann Weißheimer eine beträchtliche Summe und überlies dafür als Pfand die handschriftliche Originalpartitur seiner Oper „Walküre“. Der Anfang des Walkürenritts aus dem 3. Akt habe ich deshalb zusätzlich auf der Nordseite der Stele verewigt.

Dietrich Grün *1847 Osthofen *1910 bei einer Schiffsreise, war ein bedeutender Uhrenfabrikant in der Schweiz und den USA. (Gruen Watch Company) Er war Inhaber von Patenten, sein Safety Pinion war u. a. eine revolutionäre Erfindung, er verhinderte das Herausspringen der Feder. Die erste wasserdichte Uhr und die amerikanische Militäruhr basieren auf seiner Arbeit. Zur Erinnerung an ihn habe ich die in die Ostseite der Stele gemeißelten Zahnräder von links oben nach rechts unten schraffiert. In der Heraldik (Wappenkunde) steht diese Schraffur für die Farbe Grün.

Friedrich Magnus Schwerd *1792 Osthofen +1871 Speyer, Geodät, Astronom und Physiker, entwickelte spezielle Verfahren für Vermessungen. 1751 Sterne hat er selbst vermessen. Seine Schwerdsche kleine Basis wird heute immer noch bei der Landvermessung eingesetzt.

Die Sternbilder des großen und kleinen Bären mit dem Polarsten dienten schon zu Urzeiten als Orientierung. Symbolhaft befinden sie sich nun auf der Südseite der Stele. In sternklaren Nächten sieht man diese Konstellation mit dem Polarstern direkt hinter der Stele.

Der Bau der Eisenbahnlinie zwischen Mainz und Worms im 19. Jahrhundert brachte für Osthofen einen wirtschaftlichen Aufschwung. In Bahnhofsnähe entstanden herrschaftliche Villen.

Die original Bohrlöcher am unteren Teil der Stele abstrahierte ich zu einem Schienenstrang und schuf damit eine Verbindung zum Bahnhof und dessen neugestalteten Vorplatz.

Hier noch einige Eindrücke :